Gedichte von Bert Brecht

 

Ratschläge einer älteren Fohse an eine jüngere

1
Wenn ich dir sag, wie man als Fohse liebt
So hör mir zu mit Fleiß und ohn Verdruß
Weil ich schon lang durch Kunst ersetzen muß
Was dir die Jugend einige Zeit noch gibt
Doch wisse, daß du desto jünger bleibst
Je weniger mechanisch du es treibst.
 
2
Mit Faulheit ist's bei jedem gleich verhunzt
Riskiert nur, daß er dich zusammenstaucht
Und er, wenn du ihn fickst, daß dir die Fotze raucht
Stinkfaul am Arsch liegt und "Mehr Demboh" grunzt.
Und nennt der Herr die beste Arbeit schlecht
Halt deinen Rand: der Herr hat immer recht.
 
3
Klug mußt du sein wie Pfaffen, nur genauer
Sie zahlen dir nicht das für dich Bequeme!
Und ihre Schwänze sind für dich Probleme
Genau wie Pfeifen für den Orgelbauer.
Jung ahnt man nicht, was alles daran hängt
Doch was ist eine Fohse, die nicht denkt?
 
4
Was seinem Weib nicht frommt, der Fohse frommt's
Drum - mußt du ihn hereinziehn auch am Strick -
Seufz, wenn er drinnen ist: "Ihrer ist dick!"
Und wenn's ihm kommt, dann stöhne schnell: "Mir kommt's!"
Denn bei den Jungen grad wie bei den Alten
Du mußt sie immerfort im Aug behalten.
 
5
Sag ihm, es macht dich geiler, wenn der Herr
Dein Ohr leckt. Leckt er's, stöhn: "Ich bin so scharf!"
Und glaubt er's, stöhn: "Ich bitt, daß ich mich strecken darf!"
Und dann: "Entschuldigen Sie, ich bin so naß parterre."
Daß ihr ein Herz und eine Seele schient
Er zahlt dafür, daß er dich gut bedient.
 
6
Nicht immer ist es schmackhaft, ungesalzen
Sich einen bärtigen Schwanz ins Maul zu stecken
Und ihn, als wär es Lebertran, zu lecken
Denn oft ist's saubrer, ihn dort zu umhalsen.
Und er verlangt nicht nur, daß er genießt
Sondern auch, daß du selbst erregt aussiehst.
 
7
Wenn du es je nicht schaffst, dich aufgeregt zu stellen
Halt deinen Atem an, als sitzt du auf dem Topf
Dann scheint's, als steige dir das Blut zu Kopf
Bequemer ist's, als wie ein Fisch zu schnellen.
Auch einen sanften Mann kannst du empören
Denkst du an Dinge, die nicht hergehören.
 
8
Vergiß nie, daß es sich um Liebe handelt
Vergißt du's doch, so fall nicht gleich aufs Maul
Und mache aus dem Saulus einen Paul
Ein Finger im Arsch hat manchen schon gewandelt.
Du hast noch nicht erlebt, was ihrer harrt
Der Fohsen ohne Geistesgegenwart.
 
9
Für unsereinen ist es eine harte Nuß
Sieht sie, daß ihre Fotz zu weit wird (wie bei mir)
So daß ein Mann gar nichts mehr spürt bei ihr
Und er sich um den Schwanz ein Handtuch wickeln muß.
So eine muß beizeiten daran denken
Ob ihr die Gäule was fürs Vögeln schenken.
 
10
Die Bürgermädchen, die auf Gartentischen
Die älteren Brüder längst zusammenhaun
Machen die Fotze enger mit Alaun
Um sich ewig einen Mann zu fischen.
Wo's angebracht ist, richte dich nach denen
Und: Was ist eine Fohse ohne Tränen?
 
11
Sehr viele Männer vögeln gern Gesichter
Das Weib muß oben so wie unten naß sein
Bei einem solchen darf es für das Weib kein Spaß sein
Er selbst erscheint sich umso ausgepichter.
Vor diesen also heuchle ruhig Qualen
Wo's angebracht ist. Denn auch diese zahlen.
 
12
Der Herr weiß selber selten, was er will
Du mußt es wissen! Tritt er in die Kammer
Weißt du: ist er heut Amboß oder Hammer?
Werd ich gevögelt, hält Er heute still?
Die Menschen zu erkennen, ist die Kunst
Das muß so spielend gehn, wie einer brunzt.
 
13
Die schlimmsten Leute sind die klugen Leute
Ich hätt oft lieber doch mit einem Hund geschlafen
Die klugen Leute, du, sind unsere Strafen
Die graben sich ein, das seh ich an mir heute
Ich selbst. Obgleich ich nie, was ich tat, gern getan
Ich tat doch keinem etwas Kluges an.
 
14
Doch wisse, daß ich selber mich verachte!
Wenn du, nachdem du lustlos unter Männern lagst
Einmal nicht ganz im Dreck verrecken magst
So mach es anders, als ich selbst es machte.
Wenn du einmal was Kluges findst, dann tu's
Hab ich es nicht geschafft, vielleicht schaffst du's.



Vom Liebhaber

 
(Sonett Nr. 12)
Gestehn wir's: leider sind wir zu schwach im Fleische
Ich, seit ich meines Freundes Frau geschwächt
Meid ich mein Zimmer jetzt und schlafe schlecht
Und merke nachts: ich horche auf Geräusche!
 
Dies kommt daher, weil dieser beiden Zimmer
An meines stößt. Das ist es, was mich schlaucht
Daß ich stets höre, wenn er sie gebraucht
Und hör ich nichts, so denk ich: desto schlimmer!
 
Schon abends, wenn wir drei beim Weine sitzen
Und ich bemerke, daß mein Freund nicht raucht
Und ihm, wenn er sie sieht, die Augen schwitzen
 
Muß ich ihr Glas zum Überlaufen bringen
Und sie, wenn sie nicht will, zum Trinken zwingen
Damit sie nachts dann nichts zu merken braucht.



Das dritte Sonett

Als ich schon dachte, daß wir einig wären
Gebrauchte ich, fast ohne drauf zu achten
Die Wörter, welche meinten, was wir machten
Und zwar die allgemeinsten, ganz vulgären.
 
Da war's, als ob von neuem du erschrakst
als sähst du jetzt erst, was das, was wir machten, sei
In vielen Wochen, die du bei mir lagst
Lehrt ich von diesen Wörtern dich kaum zwei.
 
Mit solchen Wörtern rufe ich den Schrecken
Von einst zurück, als ich dich frisch begattet
Es läßt sich länger nunmehr nicht verdecken:
Das Allerletzte hast du da gestattet!
Wie konntest du dich nur in so was schicken:
Das Wort für das, was du da tatst, war



Über die Gedichte des Dante auf die Beatrice

Das zwölfte Sonett

Noch immer über der verstaubten Gruft
In der sie liegt, die er nicht vögeln durfte
Sooft er auch um ihre Wege schlurfte
Erschüttert doch ihr Name uns die Luft.
 
Denn er befahl uns, ihrer zu gedenken
Indem er auf sie solche Verse schrieb
Daß uns führwahr nichts anders übrigblieb
Als seinem schönen Lob Gehör zu schenken.
 
Ach, welche Unsitt bracht er da in Schwang
als er mit so gewaltigem Lobe lobte
Was er nur angesehen, nicht erprobte!
 
Seit dieser schon beim bloßen Anblick sang
Gilt, was hübsch aussieht und die Straße quert
Und was nie naß wird, als begehrenswert.



Grabschrift 1919

Die rote Rosa nun auch verschwand.
Wo sie liegt,ist unbekannt.
Weil sie den Armen die Wahrheit gesagt
Haben die Reichen sie aus der Welt gejagt.



Das Lied von der Wolke der Nacht

Mein Herz ist trüb wie die Wolke der Nacht
Und heimatlos, oh Du!
Die Wolke des Himmels über Feld und Baum
Die wissen nicht wozu.
Sie haben einen weiten Raum.

Mein Herz ist wild wie die Wolke der Nacht
Und sehnsuchtstolls, oh Du!
Die will der ganze weite Himmel sein
Und sie weiß nicht wozu.
Die Wolke der Nacht ist mit dem Wind allein.



Siebenhundert Intellektuelle beten einen Öltank an

Ohne Einladung
Sind wir gekommen
Siebenhundert (und viele sind noch unterwegs)
Überall her,
Wo kein Wind mehr weht,
Von den Mühlen, die langsam mahlen,
Und den Öfen, von denen es heißt,
Daß kein Hund mehr vorkommt.

Und haben dich gesehen
Plötzlich in der Nacht,
Öltank.

Gestern warst du noch nicht da,
Aber heute bist nur du mehr.

Eilet herbei, alle
Die ihr abgesägt den Ast, auf dem ihr sitzet,
Werktätige!
Gott ist wiedergekommen
In Gestalt eines Öltanks.

Du Häßlicher,
Du bist der Schönste,
Tue uns Gewalt an,
Du Sachlicher!

Lösche aus unser Ich!
Mach uns kollektiv!
Denn nicht wie wir wollen
Sondern wie du willst.

Und bist du nicht gemacht aus Elfenbein
Und Ebenholz, sondern aus
Eisen.
Herrlich, Herrlich, Herrlich!
Du Unscheinbarer!

Du bist kein Unsichtbarer,
Nicht Unendlich bist du!
Sondern sieben Meter hoch.
In dir ist kein Geheimnis
Sondern Öl.
Und du verfährst mit uns
Nicht nach Gutdünken, noch unerforschlich
Sondern nach Berechnung.

Was ist für dich Gras?
Du sitzest darauf.
Wo ehedem Gras war
Da sitzest jetzt du, Öltank,
Und vor dir ist ein Gefühl
Nichts.

Darum erhöre uns
Und erlöse uns von dem Übel des Geistes
Im Namen der Elektrifizierung
Der Ratio und der Statistik!



Der Zweifler

Immer wenn uns
Die Antwort auf eine Frage gefunden schien
Löste einer von uns an der Wand die Schnur der alten
Aufgerollten chinesischen Leinwand, so daß sie herabfiel und
Sichtbar wurde der Mann auf der Bank, der
So sehr zweifelte.

Ich, sagte er uns
Bin der Zweifler, ich zweifle, ob
Die Arbeit gelungen ist, die eure Tage verschlungen hat.
Ob was ihr sagt, auch schlechter gesagt, noch für einige Wert hätte.
Ob ihr es aber gut gesagt und euch nicht etwa
Auf die Wahrheit verlassen habt dessen, was ihr gesagt habt.
Ob es nicht vieldeutig ist, für jeden möglichen Irrtum
Tragt ihr die Schuld. Es kann auch eindeutig sein
Und den Widerspruch aus den Dingen entfernen; ist es zu eindeutig?
Dann ist es unbrauchbar, was ihr sagt. Euer Ding ist dann leblos.
Seid ihr wirklich im Fluß des Geschehens? Einverstanden mit
Allem, was wird? Werdet ihr noch? Wer seid ihr? Zu wem
Sprecht ihr? Wem nützt es, was ihr da sagt? Und nebenbei:
Läßt es euch auch nüchtern? Ist es am Morgen zu lesen?
Ist es auch angeknüpft an Vorhandenes? Sind die Sätze, die
Vor euch gesagt sind, benutzt, wenigstens widerlegt? Ist alles belegbar?
Durch Erfahrung? Durch welche? Aber vor allem
Immer wieder vor allem andern: Wie handelt man
Wenn man euch glaubt, was ihr sagt? Vor allem: Wie handelt man?

Nachdenklich betrachten wir mit Neugier den zweifelnden
Blauen Mann auf der Leinwand, sahen uns an und
Begannen von vorne.



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